28. Juli 2023

Mehr Effizienz und Tempo für die Bauwirtschaft mit Gaia-X

Bild: Implenia AG

Im Bausektor behindern unvollständig digitalisierte Prozesse und abgeschottete Datensilos eine schnelle, reibungslose Abwicklung von Genehmigungs- und Abstimmungsprozessen sowie die effiziente Zusammenarbeit aller Beteiligten der gesamten Wertschöpfungskette.

Wir sprachen mit Wolfgang Müller, Konsortialleiter des Gaia-X Förderprojektes iECO (Intelligent Empowerment of Construction Industry) über die Ziele und Fortschritte des ambitionierten Projektes.

In Eurem Konsortium von 10 Partnern aus Forschung, Baugewerbe und Softwareentwicklung arbeitet Ihr daran, die Digitalisierung in der Bauwirtschaft voranzutreiben. Wie sieht die Situation auf dem Bau derzeit aus?

Wolfgang Müller (RIB Software GmbH): Digitale Werkzeuge sind bei allen Beteiligten in der Bauwirtschaft Alltag. Auf der Baustelle gibt es nahezu keinen Handwerker, der nicht sein Smartphone nutzt, um Notizen zu machen, Mängel zu dokumentieren, den Status einer Materialbestellung zu prüfen oder Teile aufzumessen. Alle Prozesse von der Planung bis zur Abrechnung einer Baustelle finden im Wesentlichen digital statt. Aber es werden viele unterschiedliche Systeme eingesetzt und häufig arbeiten Auftraggeber, Auftragnehmer sowie Architektur- und Ingenieurbüros jeweils mit unterschiedlichen Systemen.

Mit einem gemeinsamen Datenraum für den Bausektor will iECO das ändern. Was heißt das im Detail?

Mit unserem Projekt wollen wir das Potenzial der vielen Daten, angefangen von der Planung, über die Terminplanung und Materialbestellung bis hin zur Mängeldokumentation, verfügbar machen. Bauspezifische Daten zu Material, Gewerken und so weiter werden in den meisten Fällen noch lokal und nur vereinzelt auf Cloud-Lösungen gespeichert. Für die Entwicklung neuer Services oder die Optimierung von Abläufen müssen diese Daten aber miteinander vernetzt sein. Dafür entwickeln wir die nötige Infrastruktur in der Gaia-X-Umgebung, an der sich alle Beteiligten einer Baustelle einfach andocken können. Sie ermöglicht, auf der einen Seite Daten zur Verfügung zu stellen und auf der anderen Seite Services beziehungsweise nützliche Assistenzsysteme für die Baustelle zu nutzen. Bei iECO setzen wir konkrete Beispiele dazu in den drei Bereichen Planen / Bauen / Betreiben um.

Welche sind das?

Im Bereich der Planung versuchen wir, den Genehmigungsprozess mit einem Schwerpunkt auf der Tragfähigkeit von Gebäuden zu digitalisieren, bei dem Daten zwischen vielen unterschiedlichen Beteiligten ausgetauscht werden. Allein bei einem Einfamilienhaus sind das mindestens 10 Akteure – vom Brandschutz, über die Kommune bis hin zur Tragwerksplanung – die alle auf die gleichen Daten zugreifen müssen. In einem anderen Fall geht es um die Geländedaten eines Bauprojekts. Diese sind in Deutschland meistens schon digitalisiert, also welches Baurecht gilt, welche Abstandsflächen müssen eingehalten werden oder wo ist ein Kanalanschluss. Das sind aber sogenannte GIS-Daten, georeferenzierte Daten, die ein völlig anderes System verwenden als bei der Gebäudeplanung. Dabei untersuchen wir, wie die Daten nach Gaia-X Standards miteinander vernetzt werden können.

Woran arbeitet Ihr im Bereich Bauen?

In diesem Bereich entwickeln wir ebenfalls zwei Anwendungen. Die erste dient einer besseren Steuerung der Baulogistik. Dazu werden Material und Geräte mit einem QR-Code gekennzeichnet und können so nachverfolgt werden. Wir machen das mithilfe einer Drohne und erfassen, wann wo welches Element auf der Baustelle ist. Dadurch können wir die Materialflüsse nachvollziehen und langfristig verbessern. Die zweite Anwendung ist die automatisierte Meldung von Fertigstellungen mithilfe von Bilderkennung. Bis jetzt finden dafür Baubegehungen mit dem Bauherrn, Generalunternehmen und den Handwerkern statt. Dabei müssen alle drei Seiten Protokolle schreiben und diese anschließend miteinander abgleichen. Erst wenn sich alle einig sind, bekommt der Handwerksbetrieb sein Geld. Das dauert oft Monate! Wir wollen diesen Prozess für rund 80 Prozent der Bauleistungen automatisieren. Dadurch könnten die Zahlungen wesentlich schneller abgewickelt werden

Und wie steht es mit der Digitalisierung im Gebäudebetrieb?

Dazu bekommen wir von den Kommunen Daten zu Strom-, Wasser- und Wärmeverbrauch. Diese haben wir mit den zugehörigen Klassifizierungen, beispielsweise der Art oder Raumanzahl des Gebäudes in Relation gesetzt und mit KI ausgewertet. In einem konkreten Beispiel zeigte sich, dass eine Schule selbst an schulfreien Tagen einen hohen Wasserverbrauch hatte. Wir entdeckten eine seit Jahren defekte Spülung als Ursache. Unsere „Watchdog-Funktion“ kann auf so etwas hinweisen. Darüber hinaus verknüpfen wir die Betriebskosten mit Daten zu Wetter und Nutzungsverhalten. Daraus leiten wir dann Prognosen zu Kosten oder Auswirkungen von Instandhaltungsmaßnahmen ab. Da kommen wir zum aktuellen Thema Energieeffizienz, also zur Frage: Lohnt sich der Einbau einer Wärmepumpe und wann amortisiert sie sich? Das ließe sich mithilfe einer KI aus den Daten relativ einfach ableiten.

Das Projekt iECO entwickelt beispielhaft insgesamt sechs Use Cases aus den Bereichen Planen / Bauen / Betreiben, die sich in einem gemeinsamen Datenraum für die Bauwirtschaft umsetzen lassen. Grafik: iECO

Wie ist der aktuelle Stand Eures Projektes?

Unsere Anwendungsbeispiele haben wir detailliert modelliert und zum Nachlesen auf unserer Website veröffentlicht. Außerdem haben wir die Daten von konkreten Projekten und Beteiligten im Bausektor angefragt und experimentieren teilweise bereits mit realen Daten. Bei manchen Anwendungen, wie dem Gebäudebetrieb konnten wir schnell etwas zeigen, während die konsistente Datenerfassung auf der Baustelle mit Wind und Wetter ohne stabiles Internet sehr komplex ist. Da müssen wir noch geeignete Prozesse entwickeln, wie wir dort an alle Daten kommen. Wenn die Daten nicht lückenlos vorliegen, können keine belastbaren Aussagen getroffen werden. Bei den Services arbeiten wir noch an Prototypen. Unsere Planung sieht vor, Mitte nächsten Jahres auf einer Baustelle diese der Öffentlichkeit erstmals vorzustellen.

Warum ist Gaia-X für das Projekt so entscheidend?

Für den Erfolg unseres Projekts ist es entscheidend, dass wir die gesamte Lieferkette einbinden. Der Knackpunkt ist das Vertrauen. Es ist essenziell, damit alle Beteiligten tatsächlich ihre Daten für Dritte zur Verfügung stellen. Da erhoffe ich mir von der Gaia-X-Community Spielregeln, etwa wann welche Daten geteilt werden. Zudem gibt es bei Gaia-X die Idee des Föderators, der wie eine Art Notar die Daten erst dann weitergibt, wenn der Empfänger zertifiziert ist und alle Regeln einhält. Das muss eine vertrauenswürdige Institution sein, ähnlich dem TÜV. Wenn ich ein gebrauchtes Auto mit einem neuen TÜV-Siegel kaufe, vertraue ich darauf, dass es noch zwei Jahre fahren wird. Zusammenfassend würde ich sagen, wenn wir mit Gaia-X das Vertrauen in das gemeinsame Nutzen von Daten über die verschiedenen Phasen von der Genehmigung bis zum Betrieb eines Gebäudes schaffen, haben wir unser Ziel schon ganz gut erreicht.

Verfasst von Claudia Käufer