Mythos 1: Gaia-X ist die europäische Cloud.
Gaia‑X wird oft für die europäische Cloud gehalten. Das ist jedoch falsch. Statt einer eigenen Cloud ist das Ziel vielmehr, vertrauenswürdige Datenökosysteme aufzubauen, in denen verschiedene Akteure und Dienstleister in einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur verbunden sind und Daten oder datenbezogene Dienste bereitstellen oder nutzen können. Für diesen Zweck entwickelt die Gaia‑X European Association for Cloud and Data zusammen mit der gesamten Gaia‑X-Community – bestehend aus öffentlichem Sektor, Verbänden und kleinen, mittleren und großen Unternehmen – zum Beispiel gemeinsame Standards, Datenräume oder digitale Anwendungen. Cloud-Computing-Services sind damit nur einer von vielen Diensten, die in Gaia‑X-kompatiblen Daten-Ökosystemen angeboten werden
Mythos 2: Gaia-X wurde nur für Europa konzipiert.
Ein digital souveränes Europa ist gefordert und alternativlos, denn das volkswirtschaftliche Potenzial von kollaborativen digitalen Geschäftsmodellen steht unbestritten fest. Möchte Europa in Zukunft in der globalen Datenökonomie wettbewerbsfähig sein, dann muss sich Deutschland mit Infrastrukturen für souveränen und sicheren Datenaustausch beschäftigen.
Das internationale Interesse für dieses europäische Vorgehen und die Umsetzung von Gaia‑X spiegelt sich bereits in mehreren außereuropäischen Gaia‑X Hubs in Südkorea, Japan oder den USA wider.
Mythos 3: Bei Gaia-X sollen große nicht-europäische Technologieunternehmen ausgeschlossen werden.
Die verbreitete Annahme, dass bei Gaia‑X dominante, nicht-europäische Technologieunternehmen beispielsweise aus den USA oder China ausgeschlossen werden sollten, missversteht die eigentlichen Ziele der Initiative.
Gaia‑X verfolgt eine offene und inklusive Herangehensweise und ermutigt zu einer breiten Beteiligung, unabhängig von der geografischen Herkunft der Unternehmen, von Umsatz oder Größe der Akteure. Entscheidend für eine Teilnahme ist hingegen, dass die Grundprinzipien von Gaia‑X (Datensouveränität, Interoperabilität, Offenheit und Transparenz) umgesetzt werden. Bei Gaia‑X geht es um Vielfalt und Wettbewerb, um eine Dateninfrastruktur, die von einer breiten Palette von Anbietern geprägt ist. Die klaren Regeln und Standards von Gaia‑X schaffen ein Umfeld, in dem alle Akteure und Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe oder Herkunft, vertrauenswürdig und selbstbestimmt zusammenarbeiten können.
Gaia‑X bietet ein hohes und noch nie dagewesenes Maß an Vertrauen in digitale Plattformen an. Dabei erkennt Gaia‑X die unterschiedlichen Anforderungen für die unterschiedliche Szenarien von Verbraucher in den verschiedenen Ländern und Branchen an. Aus diesem Grund wurde für alle Anbieter von Gaia‑X-Lösungen ein technologisches Rahmenwerk für Compliance und Labelling entwickelt, damit alle Standards eingehalten werden.Es gibt dabei drei Ebenen von Labeln, je nach Anforderung:
Ebene 1 – Datenschutz, Transparenz, Sicherheit, Portabilität und Flexibilität werden gemäß den in den
Ebene 2 – Diese fortgeschrittene Label-Ebene erweitert die grundlegenden Anforderungen von Ebene 1 und spiegelt ein höheres Maß an Sicherheit, Transparenz der geltenden rechtlichen Bestimmungen und potenzieller Abhängigkeiten wider. Dem Verbraucher muss die Möglichkeit eines Dienstleistungsorts in Europa geboten werden.
Ebene 3 – Diese Ebene zielt auf höchste Standards für Datenschutz, Sicherheit, Transparenz, Portabilität und Flexibilität sowie europäische Kontrolle ab. Sie erweitert die Anforderungen von Ebene 1 und 2 um Kriterien, die eine Immunität gegenüber nicht-europäischem Zugriff und ein weitgehendes Vermeiden eines sogenannten Vendor Lock-ins. Ein Dienstleistungsort in Europa ist obligatorisch.
Mythos 4: Gaia-X macht keine Fortschritte und wurde beendet.
Gaia-X ist nicht beendet, sondern lebendiger denn je und Teil der Digitalstrategie der Bundesregierung mit Initiativen und industriegetriebenen Projekten wie Catena-X oder Manufacturing-X. Parallel zum europäischen Rechtsrahmen wächst in den Mitgliedsstaaten die Gaia-X-Initiative weiter und entwickelt sich zu einem Datenökosystem, das auf europäischen Werten und Normen basiert. Nach der Aufbauphase befindet sich Gaia-X nun in der Anwendungs- und Skalierungsphase. Der Fokus liegt darauf, Datenräume technisch umzusetzen und datenbasierte Geschäftsmodelle zu skalieren.
Seit dem Start im Jahr 2019 haben hierzu verschiedene Teile der Gaia‑X-Community die Entwicklung der Gaia‑X-Referenzarchitektur und -Spezifikationen vorangetrieben. Im deutschen Gaia‑X Hub gibt es 14 branchenspezifische Arbeitsgruppen, sogenannte Domänen, die branchenspezifische Anforderungen für die Umsetzung von Gaia‑X definieren und Use Cases analysieren. Zusätzlich gibt es seit 2022 elf Gaia‑X Projekte, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert werden. Ziel dieser Projekte ist es, zu zeigen, wie das Gaia‑X Rahmenwerk genutzt werden kann, um Mehrwerte und innovative datengetriebene Geschäftsmodelle für KMUs, Organisationen und öffentliche Verwaltungen zu schaffen. Dabei werden Best Practices und Blaupausen entwickelt. Diese sollen künftig Nutzern von Gaia‑X als Schaufenster für ihre eigenen Geschäftsmodelle und Anwendungen dienen.
Außerdem ging im Oktober 2023 das Gaia-X Leuchtturmprojekt Catena-X, ein Datenraum für die Automobilindustrie, in Betrieb. Dort können nun Daten aus der gesamten Wertschöpfungskette der Industrie auf Basis von Gaia-X-Prinzipien über Unternehmen hinweg geteilt werden, um so zum Beispiel nachhaltigere Produktionsbedingungen zu erreichen oder Produktionskosten zu senken.
Gaia‑X ist als paneuropäisches Projekt gestartet und stark durch einen Community-Gedanken geprägt. Damit entwickelt sich Gaia‑X stetig weiter. Viele verschiedene Akteure sind beim Aufbau der organisatorischen Strukturen einerseits und der Entwicklung des Gaia‑X-Rahmenwerks andererseits, beteiligt. Unterschiedliche Meinungen, Kommentare und Anmerkungen haben ihre Daseinsberechtigung, bedürfen aber klarer Prozesse und Strukturen zur Harmonisierung. Die Vielzahl an unterschiedlichen Projekten, Initiativen und Bestrebungen rund um das Thema Gaia‑X zeigt vor allem, dass die Initiative ein Momentum geschaffen hat, welches die Diskussion vorantreibt. Nach dem hohen Erwartungsdruck folgen nun Klarheit, Transparenz und ein Schaufenster, das zeigt welche Möglichkeiten die Gaia‑X-Komponenten entfalten können.
Mythos 5: Gaia-X kommt zu langsam voran.
Gaia‑X baut eine dezentrale föderierte Dateninfrastruktur auf der Grundlage von Open-Source-Software auf, die Stakeholder aus unterschiedlichsten Bereichen nutzen können. Damit ist es ihnen möglich, zukünftig interoperabel Daten miteinander auszutauschen. Das ist sehr viel komplexer als der Aufbau von einzelnen Datensilos wie das bisher üblich war.
Gute, praktikable Lösungen für diese neuartige Herausforderung zu entwickeln, kostet Zeit. Der Aufbau einer zentralisierten Infrastruktur von oben nach unten dagegen wäre wesentlich einfacher und schneller zu bewerkstelligen. Für die Teilnehmenden würde das aber eine viel geringere digitale Souveränität bedeuten und zahlreiche neue Abhängigkeiten. Daher nimmt sich Gaia‑X die nötige Zeit, um die Anliegen, Interessen und Perspektiven der verschiedenen Interessengruppen zu berücksichtigen und so ein flexibles und gleichzeitig widerstandsfähiges Ökosystem zu schaffen.
Mythos 6: Der Einstieg bei Gaia-X ist vor allem für KMU kompliziert.
Die nationalen Gaia-X Hubs bieten einen einfachen Gaia-X-Einstieg für interessierte Unternehmen und Organisationen und betreuen auch das weitere Onboarding. Der Gaia-X Hub Deutschland bietet beispielsweise auf seiner Website unter „Jetzt Mitmachen“ ein einfaches Formular für die Registrierung an, in dem bereits eine Auswahl an Domänen getroffen werden kann. Im Anschluss erhalten die Interessierten weitere Informationen und Details zu kommenden Domänentreffen. Bei den regelmäßig virtuell stattfindenden Treffen können Interessierte Fragen stellen und aktiv an der Gestaltung sowie technischen Implementierung von Gaia-X mitwirken.
Die Teilnahme an den Treffen und die Domänenmitgliedschaft sind kostenlos und bieten gerade kleinen und mittleren Unternehmen einen schnellen und einfachen Einstieg in die Gaia‑X-Welt ohne Vorkenntnisse. Die Hubs gestalten den Einstieg in die Gaia‑X-Community so niederschwellig wie möglich. Klar ist aber auch, dass es sich bei Gaia‑X um mehr als nur eine IT-Anwendung handelt und eine Einarbeitung in die datengetrieben Geschäftsmodellentwicklung ihre Zeit benötigt.
Interessierte nehmen via Formular Kontakt auf.
Mythos 7: Gaia-X behindert Innovation durch zu viele Regeln.
Gaia-X setzt auf europäische Werte und die Einhaltung europäischer Regulatorik wie die Vorgaben zu Datenschutz und Datensicherheit. Diese Regeln sind darauf ausgerichtet, Vertrauen zu schaffen und gleichzeitig eine dynamische Umgebung für digitale Innovationen zu ermöglichen.
Durch klare Regelungen, den Einsatz einheitlicher Standards und die nahtlose Integration unterschiedlicher Systeme bietet Gaia-X einen flexiblen, offenen und gleichzeitig ganzheitlichen Ansatz. Hierdurch erhalten Unternehmen die Möglichkeit, ihre vorhandenen Technologien effektiv einzusetzen und gleichzeitig die Vorzüge einer vernetzten digitalen Infrastruktur mit vielfältigen Cloudlösungen zu nutzen. Weitere Details hierzu sind auch unter Mythos Nummer 9 zu finden.
Mythos 8: Gaia-X ist ein Regierungsprojekt und ist nicht unabhängig.
Gaia-X wird von einer internationalen, unabhängigen Organisation, der Gaia-X Association for Data and Cloud Infrastructure, ohne Gewinnorientierung und nach belgischem Recht (französisch: association internationale sans but lucratif, abgekürzt AISBL) verwaltet. Die Verwaltungsstruktur ist darauf ausgerichtet, die Neutralität und Unabhängigkeit der Gaia-X Initiative sicherzustellen.
Mythos 9: Gaia-X wird von großen Unternehmen dominiert und benachteiligt kleine Anbieter.
Gaia‑X legt großen Wert auf eine ausgewogene Beteiligung und Governance. Die Initiative fördert besonders aktiv die Einbindung kleiner und mittelständischer Unternehmen, um eine vielfältige und leistungsfähige europäische digitale Infrastruktur zu schaffen. Durch seine dezentrale und föderale Organisationsstruktur ermöglicht Gaia‑X ein faires Nebeneinander von Akteuren und Unternehmen jeder Größe. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können von Gaia‑X profitieren, ihre Digitalisierung vorantreiben und Mehrwert aus ihren Daten generieren.
Mythos 10: Gaia-X schafft keine echten Vorteile gegenüber bestehenden Cloud-Lösungen.
Mit klaren Regeln, der Verwendung einheitlicher Standards und damit der Möglichkeit, verschiedene Systeme nahtlos zu integrieren, bietet Gaia‑X einen flexibleren, offeneren und zugleich umfassenderen Ansatz. Dies ermöglicht Unternehmen, ihre bestehenden Technologien zu nutzen und gleichzeitig von den Vorteilen einer vernetzten digitalen Infrastruktur mit diversen Cloudlösungen zu profitieren.
Die Initiative zielt darauf ab, als interoperables Datenökosystem eine Alternative zu globalen Anbietern zu schaffen, die oft eine dominante Marktposition einnehmen. Gaia‑X bietet eine europäische Lösung, die die Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen beziehungsweise Marktführern reduziert und die eigene digitale Souveränität stärkt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Integration von Datenschutzprinzipien in den Kern der Gaia‑X-Architektur. Dies ermöglicht Unternehmen, Compliance-Anforderungen leichter und besser zu erfüllen und einen sicheren Datenaustausch zu ermöglichen. Aus der volkswirtschaftlichen Brille betrachtet, verfolgt Gaia‑X also das Ziel, den Datengeber in den Mittelpunkt der Datenökonomie zu stellen und so ein Common-Level-Playing-Field, also gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer, zu schaffen.
Verfasst von Manuel Krieg und Crispin Niebel
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Die Mythen finden Sie hier als PDF.