Fehlendes Personal, viel Bürokratie und zu wenig Zeit für die Patient:innen – mit diesen Herausforderungen sehen sich Mitarbeitende im Gesundheitswesen tagtäglich konfrontiert. Digitale Services und Programme könnten diese Situation oft deutlich entschärfen.
Um den Alltag für medizinisches Personal nachhaltig zu verbessern, hat die radiologische Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen zusammen mit dem TEAM-X Konsortium den „TEAM-X Inkubator“ ins Leben gerufen. Bei diesem Ideenwettbewerb sollen innovative digitale Lösungen zur Verbesserung des medizinischen Arbeitsalltags entwickelt und für die Umsetzung professionell begleitet werden.
Zwei Mitglieder des Projekts, Dorothea Hellerbrand von Medical Valley EMN und Maximilian Starck von der CodeCamp:N GmbH erklären, um was es dabei geht.
An wen richtet sich der TEAM-X Inkubator?
Maximilian Starck: Bei diesem Ideenwettbewerb können sich alle bewerben, die ein Problem im medizinischen Arbeitsalltag identifiziert haben und technologische Lösungen dafür entwickeln wollen. Das können beispielsweise interdisziplinäre Teams sein, die aus Klinikmitarbeitenden aus den Bereichen Pflege, Verwaltung und medizinischer Versorgung bestehen – oder aber auch kleinere Personengruppen aus verschiedenen Fachrichtungen und Start-ups. Wir sind offen für ein breites Spektrum bei den Bewerber:innen, die spezielle Expertise wie betriebswirtschaftliches, technisches oder auch medizinisches Know-how in nur einem oder gleich mehreren Bereichen und vor allem gute Ideen mitbringen.
Welche Ideen sind beim TEAM-X Inkubator besonders gefragt?
Dorothea Hellerbrand: Die digitalen Lösungen, nach denen wir suchen, sollten einen Mehrwert bieten und in folgenden Bereichen einsetzbar sein: in der Pflege, medizinischen Versorgung, Behandlung oder Diagnostik, in administrativen Prozessen oder in der Forschung.
Maximilian: Die Ideen dafür können sehr vielfältig sein und von Programmen zur technischen Unterstützung bei der Erstellung von Entlassungsbriefen im Krankenhaus, über innovative Anwendungen, die Patient:innen bei der Physiotherapie unterstützen, bis hin zu Softwarelösungen reichen, die im Sinne der Gaia-X Prinzipien einen sicheren und gleichzeitig interoperablen Datenaustausch zwischen den verschiedenen medizinischen Abteilungen innerhalb einer Klinik und darüber hinaus ermöglichen. Auch die Entwicklung von technischen Lösungen für die Bereitstellung und Nutzung von KI-Modellen kann ein spannendes Thema sein, da diese den hohen datenschutzrechtlichen und regulatorischen Anforderungen im Gesundheitswesen gerecht werden müssen.
Und wie läuft der Ideenwettbewerb ab?
Maximilian: Nachdem alle Bewerbungen eingereicht worden sind, werden sie von einer unabhängigen Jury geprüft, bestehend aus Mitgliedern des Konsortiums mit Erfahrung im Gesundheitsbereich. Diese wählen insgesamt zehn Ideen aus, die weiterverfolgt und durch Medical Valley und CodeCamp:N als „Sparringspartner“ bzw. „Coach“ in der Produktentwicklung mit umfassendem Know-how begleitet werden.
In einer ersten zweimonatigen Phase – dem „Innovation Sprint“ – versuchen wir mit den Teams zunächst ihre Idee und die dazugehörige Problemstellung zu validieren und weiter auszuarbeiten. Dabei betrachten wir beides mit Hilfe einer Patient Journey etwas genauer. In Bezug auf eine digitale Lösung für einen bereichsübergreifenden Datentransfer würden wir beispielsweise Antworten zu folgenden Fragen suchen: Wie könnte die technische Infrastruktur dafür aussehen und wie ließe sich diese aufbauen? Welche Hindernisse bestehen im Datenaustausch zwischen unterschiedlichen medizinischen Institutionen? Was ist hier besonders zu beachten?
Dieser Sprint schließt also unter anderem Analysen zum Nutzen, zur Regulatorik, Aufwandsschätzungen und Geschäftsmodellbetrachtungen, aber auch Umsetzbarkeitstests von ersten technischen Entwicklungen mit ein.
Mit welchem angestrebten Ergebnis?
Maximilian: Das Produkt am Ende der ersten Phase kann unter Umständen – je nach Entwicklungsstand – beispielsweise schon ein Click-Dummy einer App bzw. einer Software sein oder die Vorstufe eines Prototyps. In jedem Fall werden die Ergebnisse des Sprints schriftlich festgehalten, damit die Teams ihre Idee danach einem Publikum vorstellen können.
Dorothea: Das ist ein wichtiger Punkt, denn im nächsten Schritt erhalten die Teilnehmenden die Gelegenheit ihre Konzepte bei einer „Pitch Night“ einer fachkundigen Jury aus dem Gesundheitswesen zu präsentieren. Hiervon erreichen dann zwei Ideen die nächste Phase – einen weiteren Sprint.
Wie sieht dieser Sprint aus?
Maximilian: In dieser Phase geht es für die verbliebenen Teams in den nächsten vier Monaten nun darum, die technischen Lösungen gemeinsam so weiterzuentwickeln, dass funktionsfähige Prototypen entstehen. Diese werden anschließend auch getestet. Außerdem werden hier die Businesspläne und regulatorische Prozesse wie beispielsweise die CE-Zertifizierung der späteren technischen Produkte genauer betrachtet. Ebenso wie die Integration der Lösungen in das Gaia-X Ökosystem.
Das Ziel dieses sogenannten „MVP-Sprints“ ist es also, ein erstes technisches Produkt fertigzustellen – ein „Minimun Viable Product“. Und wir wollen den Teams das Rüstzeug mit an die Hand geben, das sie für die weitere Umsetzung ihrer Idee benötigen, zum Beispiel für Verhandlungen mit Investor:innen oder neuen Partnern.
Der TEAM-X Inkubator bietet also eine Starthilfe?
Dorothea: Ja, hier sollen die Teilnehmenden des Wettbewerbs während und nach der Projektlaufzeit von dem großem Netzwerk unserer Konsortialpartner profitieren. Wir können sie unterstützen, indem wir die richtigen Kontakte vermitteln. Denn alle Beteiligten arbeiten im Gesundheitswesen und haben ein großes Interesse daran, dass solche Ideen weiterentwickelt werden und so später den medizinischen Alltag erleichtern!
Interessierte können sich über das Bewerbungsportal bis zum 7. Februar 2024 bewerben.