29. August 2024

Lebenslanges Lernen mit Datenräumen durch Gaia-X

Das Förderprojekt MERLOT hat einen Bildungsmarktplatz und KI-gestützte Assistenten zur Berufsfindung, Karriereplanung und Weiterbildung entwickelt. Ein Expert:innen-Gespräch mit Dr. Sabine Zander und Rola Sayegh über die Herausforderungen des Datenraumprojekts und die Entwicklung des Geschäftsmodells.

Mit dem Gaia-X-Förderprojekt MERLOT habt ihr einen innovativen Bildungsdatenraum entwickelt, der auf einem digitalen Marktplatz basiert. Um was genau geht es bei diesem Projekt?

Sabine Zander:  Mit MERLOT wollen wir ein Ökosystem für Bildungsdaten und -dienste schaffen, das es Unternehmen und Bildungseinrichtungen ermöglicht, ihre Bildungsdaten sicher und datenschutzkonform zu teilen und zu verarbeiten. Kernstück ist der interoperable Marktplatz auf dem nicht nur Standardprodukte, sondern auch anpassbare Services angeboten werden, die auf spezifische Bedürfnisse bestimmter Nutzergruppen zugeschnitten werden können. Der Marktplatz ist als Business-to-Business-Lösung konzipiert und richtet sich nicht an Endanwender, sondern an Unternehmen und Bildungseinrichtungen.

Wo steht das Projekt momentan?

Rola Sayegh:  Wir haben jetzt die Prototypen für unseren MERLOT Marktplatz sowie unsere KI-unterstützten Bildungsassistenten entwickelt. Darüber hinaus haben wir einen Katalog mit standardisierten Beschreibungen für angebotene Dienste implementiert. Dies wird für Transparenz sorgen. Digitale Verträge und eine präzise Rechteverwaltung regeln, auf welche Weise und wie lange die Daten verarbeitet werden dürfen. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht eine genaue Abstimmung der Produkte auf den individuellen Bedarf der Kunden.

Zusätzlich entwickeln wir ein Konzept für den sogenannten Self-Sovereignty-Manager. Er wird es auch Endnutzer:innen , die angebotene Dienste oder Smart Services des Marktplatzes nutzen, ermöglichen, ihre persönlichen Daten souverän zu kontrollieren. Das heißt, sie können diese gezielt freigeben, ihre Nutzung überwachen und bei Bedarf ihre Zustimmung zur Datenverarbeitung zurückzuziehen.  Außerdem arbeiten wir an der Weiterentwicklung und Verfeinerung unserer KI-Assistenten und entwickeln Richtlinien für KI-Tools im Bildungsbereich, sei es in sozialer, ethischer oder rechtlicher Hinsicht.

Welche Schritte stehen als Nächstes an?

Rola Sayegh:  Das Projekt steht vor der Herausforderung, den Prototypen des Marktplatzes in ein voll funktionsfähiges digitales Geschäftsmodell zu überführen, das den strengen europäischen Datenschutzbestimmungen entspricht und gleichzeitig effiziente und skalierbare Lösungen für den (Weiter-)Bildungsbereich bietet.

In den kommenden Monaten erproben und entwickeln wir den Marktplatz weiter. Zum Jahreswechsel soll der Marktplatz dann komplett durchgetestet sein und alle unsere Dienste – insbesondere die KI-basierten Karriere- und Weiterbildungsassistenten – sollen dann an den Marktplatz angebunden sein und zusammen mit anderen datenliefernden Services erprobt sein. Außerdem arbeiten wir an zwei Demonstratoren: einen, der die Arbeitsweise unseres MERLOT-Marktplatzes darstellt und zeigt, wie Unternehmen und Institutionen dort die Verwendung ihrer Daten jederzeit souverän kontrollieren können.  Der zweite wird das Konzept des bereichsübergreifenden, nutzerzentrierten Self-Sovereignty Management-Systems vorstellen und zeigen, wie Nutzer:innen die volle Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten erhalten.

Sabine Zander: Bis März 2025 liegt unser Fokus dann vor allem auf der Weiterentwicklung unseres Geschäftsmodells und der Anpassung unserer Services an die momentane Marktsituation, insbesondere im Bereich Weiterbildung, „Upskilling“ und Transformationsprozesse in Unternehmen. Weitere Ziele sind, neue Partner für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und so Vernetzungsmöglichkeiten mit verwandten Datenräumen zu schaffen.

Der Bildungsmarkt in Deutschland ist sehr komplex. Wie kann MERLOT da lebenslanges Lernen begleiten?

Rola Sayegh: Der deutsche Bildungsmarkt umfasst Bildungs- und Trainingsangebote von traditionellen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten bis hin zu Online-Kursen und firmeninternen Schulungen. Durch das Rahmenwerk von Gaia-X bringen wir erhebliche Vorteile für öffentliche (Bildungs-)Institutionen mit – wie unsere hohen Sicherheitsstandards bei den personenbezogenen Daten und die breit angelegte Interoperabilität. Dennoch wird in diesem Bereich noch viel Aufklärungsarbeit bei verschiedenen Stakeholdern – angefangen von den Schulleitern bis hinauf zu den Ministerien – zu leisten sein. Eine weitere Herausforderung liegt in der Finanzierung. Die Services werden kostenpflichtig sein, was insbesondere für staatlich finanzierte Einrichtungen problematisch sein könnte.

… und wie sieht es bei Unternehmen aus?

Sabine Zander: Bei den Unternehmen bieten sich zum jetzigen Zeitpunkt deutlich bessere Markt- und Finanzierungschancen. Unser Fokus liegt daher zunächst auf KMU und Unternehmen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren müssen. Es geht darum, sicherzustellen, dass Mitarbeiter die richtigen Fähigkeiten haben, um die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen des Unternehmens zu erfüllen. Dies ist besonders wichtig in schnelllebigen Branchen, wo ständige Innovation und technologischer Fortschritt die Anforderungen an die Mitarbeiter kontinuierlich verändern. Aber um eine breite und qualitativ hochwertige Produktpalette für effektives Skill-Management anbieten zu können, benötigen wir auf unserem Marktplatz zahlreiche weitere Partner und Serviceanbieter.

Wie wollt ihr das umsetzen?

Sabine Zander: Schon vergangenes Jahr haben wir damit begonnen, Gespräche mit diversen anderen Datenraumprojekten auf europäischer Ebene zu führen. So haben wir unter anderem bereits erste Kooperations-Vereinbarungen mit Prometheus-X getroffen, die das europäische ‚Education and Skills‘-Dataspace-Projekt als Konsortialführer leiten. Durch diese Kooperation erreichen wir eine bedeutend größere Zielgruppe und erweitern gleichzeitig unsere Angebote und Services erheblich. Aber auch im Rahmen der geplanten Zusammenarbeit werden wir weiterhin als eigenständiger MERLOT-Marktplatz auf dem Markt erscheinen und unsere Gaia‑X‑Konformität beibehalten.

MERLOT ist für euch also eine Art Schritt hin zur Bildung 2.0 mit europäischer Prägung?

Rola Sayegh: Ja, das könnte man so sagen. Denn die Gaia-X-Datenraumtechnologien bringen großes Potenzial mit sich. Die meisten unserer Projektpartner wollen sich nach Projektende bei MERLOT weiterhin aktiv einbringen, beispielweise als Service- oder Datenanbieter.

Beim Konsortialtreffen im Juli 2024 konnte unser Konsortium die großen Fortschritte des Projekts präsentieren, denn wir haben die meisten technischen Ziele deutlich vor dem Projektende erreicht. Um bis zu dem Punkt zu gelangen, an dem wir heute stehen, mussten wir als MERLOT Konsortium einige Herausforderungen überwinden. Das war oft mühsam, aber wir haben viel ausprobiert und dabei völlig neue Ansätze und Lösungen erarbeitet. In dieser Zeit haben wir eine Menge voneinander gelernt und profitiert. Und wir haben uns in eine zukunftsträchtige Technologie eingearbeitet, die uns völlig neue Geschäftsmodelle und Möglichkeiten zur Innovation eröffnet – selbst in einem so diversen Bildungsmarkt.

Interviewpartner:innen

Rola Sayegh, Senior Innovation Project Manager | Innovation Lab, imc Learning | ✉ Email

Dr. Sabine Zander, Director | Innovation Lab, imc Learning | ✉ Email

Das MERLOT-Konsortium geht in den kommenden Monaten verstärkt auf potenzielle und interessierte Unternehmen zu. Wer sich dem Netzwerk anschließen möchte, kann gerne mit den Interviewpartner:innen Kontakt aufnehmen.

Lernen Sie MERLOT bei unserer Gaia-X Roadshow in Essen kennen!

Verfasst von Benigna Daubenmerkl

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