Aus dem Gaia-X Förderwettbewerb heraus setzt EuroDaT ein erstes datenbasiertes Geschäftsmodell in die Praxis um. Der Geschäftsführer der EuroDaT GmbH, Alexander Alldridge, im Gespräch über den neuen transaktionsbasierten Datentreuhänder, Erfahrungen aus der Praxis und das entstandene Geschäftsmodell.
Als Geschäftsführer der EuroDaT GmbH managen Sie die Markteinführung des neu entwickelten Datentreuhänders. Was ist an dieser Entwicklung so besonders?
Dr. Alexander Alldridge: Wir sind Europas erster transaktionsbasierter Datentreuhänder. Das heißt, im Gegensatz zu anderen Treuhändern sammeln und speichern wir keine Daten. Datengeber können ihre Datenbestände bei uns registrieren. Diese vermitteln wir sicher und datenschutzkonform. Das heißt, Daten werden nur auf Veranlassung eines Analysenehmers und auf Basis gültiger Verträge zusammengezogen. Wir ermöglichen es über das einfache Durchleiten der Daten hinaus, bei solchen Transaktionen komplexe Verarbeitungsvorgänge / Analysen von Daten durchzuführen. Während der Transaktion im EuroDaT-Datentreuhänder hat niemand Zugriff auf die Daten, die Datennehmer erhalten am Ende ausschließlich die Ergebnisse der erfolgten Analysen.
Welche Vorteile bringt das mit sich?
Anlassloses Datenpooling [Zusammenfügen von Daten mehrerer Erhebungen oder Studien, A.d.R.] ist vielfach, zum Beispiel durch kartellrechtliche oder Datenschutz-Vorschriften, nicht möglich – und das zu Recht. Das Transaktionsmodell überwindet diese Hürden und ermöglicht so Anwendungsfälle, die im bestehenden Rechtsrahmen ausgeschlossen wären.
Und wo stehen Sie aktuell mit Ihrem Geschäftsmodell?
Die Gründung der EuroDaT GmbH ist abgeschlossen, alle formalen Schritte, um den Datentreuhänder funktions- und handlungsfähig machen, sind erfolgt. Beim Abschluss unseres Projektes zum Jahreswechsel waren wir in der Lage, alle Anwendungsbeispiele des ursprünglichen Projektes technisch umsetzen. Darüber hinaus setzen wir bereits neue Anwendungsfälle um, die in Produktion gehen werden. Wir sind sehr zuversichtlich, dass EuroDaT sich damit wirtschaftlich tragen wird und einen dauerhaften Mehrwert für die digitale Ökonomie in Deutschland und in Europa liefern wird.
Die nächsten Schritte sind …?
Für die erste Jahreshälfte haben wir uns vorgenommen, vor allem am Aufbau eines umfassenden Vertragsmanagements zu arbeiten. Wir haben in unserem Konsortium einen Rahmen, das heißt einen Vertragsbaukasten, entwickelt, den wir automatisieren und auf unserer Plattform entsprechend darstellen werden. Dabei geht es darum, die Schritte vom Vertragsdokument zum gewünschten Arbeitsprozess unseres Datentreuhänders so weit wie möglich modular zu gestalten.
Als Förderprojekt hat EuroDaT einen klaren Gaia-X-Bezug. Worin besteht dieser in Ihrem Geschäftsmodell?
Die Entwicklung des Datentreuhänders zielte von Anfang an auf den Einsatz im Finanzsektor mit seinen personenbezogenen und äußerst sensiblen Daten. Daher waren die Gaia-X-Themen Datensouveränität und Datensicherheit für unsere Arbeit schon immer ein zentrales Anliegen.
Aufbauend auf den Entwicklungen aus unseren Use Cases, setzen wir derzeit eine Datentreuhänderanwendung zur Geldwäschebekämpfung um. In diesem Zusammenhang sind Überprüfungen und Sorgfaltspflichten für neue und bestehende Kunden – Unternehmen oder auch Einzelpersonen – verpflichtend. Dies werden wir für unsere Kunden durch die Integration entsprechender Gaia-X-Komponenten, beispielsweise den Gaia-X Participant Credentials, auf unserer Plattform umsetzen. Dabei werden wir aller Voraussicht nach auf die Komponenten der Gaia-X Federation Services (GXFS) zurückgreifen.
Sie führen den Datentreuhänder also bereits auf dem Markt ein?
Ja, wir arbeiten derzeit an der Umsetzung des sogenannten safeAML-Use Cases zur Geldwäschebekämpfung. Das heißt, dass wir momentan mit unseren Pilotbanken verhandeln und darüber hinaus mit weiteren Banken in konkreten Vertragsverhandlungen stehen. Darüber hinaus tauschen wir uns mit den Regulierungsbehörden für den Finanzsektor seit einiger Zeit sehr intensiv aus. Insgesamt sind wir bei der Umsetzung dieser Anwendung bereits sehr weit fortgeschritten.
Weitere Anwendungsfälle, die wir aktuell bearbeiten, liegen beispielsweise im Bereich der ESG-Daten [Daten für nachhaltige Geldanlagen: Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung), A.d.R.]. Hier gibt es weitgehende Berichtspflichten, aber leider nur eine sehr lückenhafte Datenbasis für die solide Bewertung von ESG-Risiken und -Auswirkungen, insbesondere im Bereich der KMU. Zusammen mit einer Non-Profit-Organisation arbeiten wir hier daran, Datenlücken zu schließen, die Datenqualität zu verbessern und Datenmodelle weiterzuentwickeln – alles unter Wahrung der Datensouveränität der Unternehmen.
Was waren die wichtigsten Meilensteine, um diesen Punkt zu erreichen?
Bei der Entwicklung des Datentreuhänders kristallisierte es sich für uns sehr schnell als wesentlich heraus, dass er unabhängig und neutral sein muss – und zwar ohne jeglichen Zweifel. Gerade der Umgang mit den hochsensiblen Finanzdaten erfordert ein Höchstmaß an Vertrauen. Um dies zu gewährleisten, haben wir schließlich im Konsortium eine neuartige Lösung für diese Anforderungen entwickelt: Die EuroDaT GmbH wurde als Tochter des Landes Hessen aufgestellt. Damit schließen sich organisatorisch viele mögliche Interessenskonflikte von vornherein aus.
Technisch wird die Neutralität dadurch gewährleistet, dass der Quellcode von EuroDaT seit Projektbeginn Open Source ist. Wirtschaftlich erreichen wir die Neutralität dadurch, dass EuroDaT einen „Cost Plus-Ansatz“ verfolgt. Das heißt, die Preise orientieren sich nicht am Wert der Daten oder der Dienstleistungen, sondern sind so gestaltet, dass sie die Kosten für den Betrieb und die Weiterentwicklung decken.
Es war für uns außerdem eine wichtige Erkenntnis, dass es unbedingt notwendig ist, während der Förderlaufzeit neben den technischen Vorarbeiten gleichzeitig eine Betreibergesellschaft zu etablieren. Aus diesem Grund sind wir jetzt, nach dem Ende der zweijährigen Förderlaufzeit unseres Projektes, voll handlungsfähig.
Gibt es noch weitere wegweisende Erkenntnisse aus der Projektlaufzeit?
Sehr förderlich war es für uns, immer unterschiedliche Bereiche wie Forschung, öffentliche Hand und Wirtschaft in unsere geschäftlichen Überlegungen einzubeziehen. Denn wir haben festgestellt, dass sich gerade in unserem Fall viele potenzielle Anwendungen aus dem Zusammenspiel dieser verschiedenen Sektoren ergeben. Und natürlich ist es enorm wichtig, schon sehr frühzeitig mit dem Aufbau von Netzwerken zu beginnen und – wie in unserem Fall – auch über die Grenzen der eigenen Branche hinaus.
Mit welchem Ergebnis?
Unser transaktionsbasierter Datentreuhänder bietet auch anderen Branchen sehr interessante Anwendungs- und Lösungsmöglichkeiten. Ich denke da insbesondere an die sensiblen Daten im Gesundheitswesen sowie an die Daten aus dem Bereich Manufacturing oder dem Energiesektor. Da kommt uns ein Vorteil unseres Datentreuhänders gegenüber anderen Datentreuhändern entgegen. Dieser besteht meiner Meinung nach gerade darin, dass wir uns nicht auf ein spezielles Datenspektrum festgelegt haben. Im Gegenteil, die von uns erarbeitete Lösung ermöglicht es uns jetzt, bereitgestellte Daten sehr flexibel und völlig neutral „verarbeiten“ zu können.