Das Gaia-X-Projekt iECO entwickelte innovative Advanced Smart Services, um die Daten von Bauherren, Planern, Behörden, Bauunternehmen sowie Betreibern für alle Beteiligten anwenderfreundlich zugänglich zu machen. Ein Gespräch über Herausforderungen, Lösungen und Zukunftspotenziale.

 

Die Arbeit im iECO-Konsortium (Intelligent Empowering of Construction Industry) hat Sie mit vielen branchenspezifischen Herausforderungen konfrontiert. Welche Hürden waren da zu überwinden?

Mamadou Ly: Die Bauindustrie ist bekanntlich sehr traditionell orientiert und besteht aus vielen einzelnen Produzierenden, die Innovationen eher zurückhaltend gegenüberstehen. Diese müssen miteinander an einem Bauvorhaben, das zahlreiche ineinandergreifende komplexe Komponenten umfasst, zusammenarbeiten. Das heißt, wir haben innerhalb der Wertschöpfungskette Bau viele (Daten-)Silos, die – wenn wir produktiver werden wollen – abbauen müssen.

Michael Brenner: Um diese Fragmentierung und geringe Risikobereitschaft zu überwinden und ähnliche Produktivitätsquoten wie in anderen Branchen zu erreichen, brauchen wir auch im Bauwesen digitale Lösungen, die unsere Abläufe automatisieren. Hier bietet die sogenannte BIM-Methode (Building Information Modelling), das modellbasierte Arbeiten über alle Lebenszyklusphasen eines Bauwerks hinweg, eine gute Grundlage.

In diesem digitalen Gebäudemodell, oft auch als digitaler Zwilling bezeichnet, soll eine Vielzahl von Daten über verschiedene Bauwerkslebenszyklusphasen abrufbar sein. Beginnend in der Planung können Änderungen, beispielsweise bei Genehmigungen, Fristen oder Ausführungsdauer, dann laufend aktuell ergänzt werden, sodass in diesem dynamischen Modell immer die zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich geltenden Daten abrufbar sind. Daran orientieren sich die von uns entwickelten Smart Services.

Was waren Ihre Lösungsstrategien?

Mamadou Ly: Unser Ansatz war es, bereits vorhandene digitale und KI-Technologien so einzusetzen, dass deren Mehrwerte wie Schnelligkeit oder Transparenz auch für technisch nicht so versierte Anwender leicht erkennbar und nutzbar sind. Solche – wie ich sie nenne – „flachen“ Strukturen mit klaren Zugriffsmöglichkeiten bei gleichzeitiger Einhaltung aller Regeln und Normen sollen allen Beteiligten das Leben einfacher machen.

Michael Brenner: Um allen Beteiligten den direkten Mehrwert aufzuzeigen, haben wir die Services in bestehende Systeme integriert, um übergreifende Prozesse effizienter zu gestalten. Wenn beispielsweise der Bauleiter den Leistungsstand einer Baustelle ermitteln möchte, um den darauffolgenden Prozess der Rechnungslegung anzustoßen, ist dies häufig mit großem manuellen Aufwand verbunden.

Bei unserem Service „WINspector“ überfliegen Drohnen die Baustellen und analysieren mittels Bilderkennung beispielsweise den Einbaustatus von Fenstern. Anschließend übermittelt der Service den Einbaustatus an das AVA-System des Bauleiters und verknüpft diese Information mit dem Gebäudemodell. Dadurch wird die Leistungsermittlung automatisiert und es können fällige Rechnungen oder Abschlagszahlungen frühzeitig freigegeben werden. So erhalten Bauunternehmen schneller Geld für ihre Leistungen.

Sie sprechen von mehreren Services – um welche handelt es sich dabei?

Michael Brenner: Wir haben aus dem gesamten Bauwerkslebenszyklus insgesamt sechs Anwendungsfälle herausgegriffen, die ein großes Automatisierungspotenzial bieten. So können Architekten und Planer zum Beispiel von unserem Umweltplanungsservice und dem Modell-Checker profitieren. Letzterer prüft bereits anhand des erstellten digitalen Gebäudemodells, ob alle Normen und Gesetze eingehalten wurden. Die automatisierte Leistungsmeldung per Drohne oder unser Asset Tracking, das die Fahrzeuge auf der Baustelle und die Materiallieferungen trackt, unterstützen die Arbeit von Generalunternehmern und Gewerken.

Im Bereich Bauwerksbetrieb bieten wir beispielsweise für Kommunen mit großem Immobilienportfolio Services an. Damit der Betrieb der Immobilien möglichst effizient läuft, haben wir den sogenannten Energy Watchdog entwickelt. Er überwacht unter anderem den Verbrauch von Wasser in der Betriebsphase und entdeckt so beispielsweise versteckte Lecks oder Undichtigkeiten in Wasserleitungen / Installationen.

Ihre Services umfassen alle ausgedehnte Zeiträume – teilweise von der Bauerstellung bis zum Ende der Betriebsphase eines Gebäudes. Was bedeutet das praktisch gesehen für Ihre Services?

Mamadou Ly:  Die Herausforderung ist ja, dass Daten, die bei der Bauerstehung gesammelt wurden, auch später noch verfügbar sein müssen. Daher versuchen wir alle Services so zu gestalten, dass sie unser dynamisches Baumodell in allen Lebenszyklusphasen unterstützen und entlang der gesamten Zeitlinie „interoperabel“ sind. Das ist sehr komplex. Zugleich entstehen auch innerhalb einer Phase immer wieder flexible Entwicklungen. Beispielsweise wenn klar wird, dass ein Nachtrag in Form eines Anbaus entsteht. Dann müssen wir ebenfalls „interoperabel“ sein. Die Schwierigkeit ist, bei all diesen Anforderungen immer die Nutzerfreundlichkeit im Blick zu behalten.

Wie soll Ihrer Meinung nach die Zukunft solcher Services im Bauwesen idealerweise aussehen?

Mamadou Ly:  Ich wünsche mir, dass – sagen wir drei bis fünf Jahren – unsere Services ähnlich selbstverständlich wie ein Smartphone funktionieren. Eben unkompliziert in der Funktionsweise und mit einer rechtlich sattelfesten Datenverfügbarkeit für alle am Bau Beteiligten. Das kann die Produktivität um 5 bis 20 Prozent steigern.

Durch die richtige Nutzung von Datenräumen und dezentralen Systemen erreichen wir auf jeden Fall einen großen Mehrwert für alle, weil wir schneller, sicher und interoperabel zusammenarbeiten können. Dadurch würden sich zugleich völlig neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Ich denke da an den Sektor Geoinformation, der unsere BIM-Daten für eine bessere Verkehrsplanung in den Städten heranziehen könnte, oder an den Bereich Smart Cities. Dort könnten die Verbrauchsdaten zahlreicher Gebäude zusammengeführt werden und so den Verbrauch und die Versorgung mit Wasser und Strom nachhaltig plan- und steuerbar machen.

Weitere Infos auf: https://ieco-gaiax.de/

 

Interviewpartner:

Mamadou Ly – Konsortialführer iECO und Vice President , RIB Software

Michael Brenner – Projektleitung iECO und Senior Consultant 5D Institut