
Ein europäisches Netzwerk interoperabler Datenräume
In den vorherigen Kapiteln haben wir die Herausforderungen der Datenwirtschaft und das Konzept der Datenräume erkundet. Doch wie verhindern wir, dass Datenräume selbst wieder zu Datensilos werden? Die Lösung: Wir benötigen ein Ökosystem, das eine Basisinteroperabilität zwischen Datenräumen sicherstellt. Initiativen wie Gaia-X schaffen Standards und Regeln für ein solches Datenökosystem. In diesem Kapitel erfahren Sie, welchen Beitrag Gaia-X hierzu leistet und wie Unternehmen von interoperablen Datenräumen profitieren.
Einfache, vertrauenswürdige und effiziente Datenkooperation im globalen Maßstab
Stellen Sie sich die globale Datenwirtschaft als riesiges Mosaik vor, bei dem jedes Unternehmen und jede Organisation einzigartige Steinchen besitzen. Der wahre Wert zeigt sich erst, wenn sich diese Steine zu einem größeren Bild fügen. Doch wie gelingt das in einer Welt voller technischer und rechtlicher Hürden?
Angenommen, Sie leiten ein Logistikunternehmen und sind Mitglied eines Mobilitäts-Datenraums. Ihre Effizienz könnte noch einmal steigen, wenn Sie Ihr Mosaikteil mit Steinen aus weiteren Datenräume, wie etwa für Smart Cities oder aus dem Gesundheitswesen, kombinieren. Vielleicht möchten Sie Ihre Routen mit aktuellen Umweltdaten optimieren oder die Verteilung medizinischer Güter in Echtzeit anpassen. Ohne gemeinsame Standards und Verfahren würden solche branchenübergreifenden Datenverknüpfungen zu einem teuren Albtraum aus Einzelvereinbarungen und technischen Anpassungen.
Wird beim Aufbau von Datenräumen auf die Gaia-X-Spezifikationen zurückgegriffen, so sorgen diese dafür, dass diese Datenräume by Design interoperabel zueinander sind. Diese Basisinteroperabilität ist der Schlüssel, damit die europäische Datenwirtschaft ihr volles Potenzial entfalten kann.
Gaia-X als europäische Initiative engagierter Unternehmen
Gaia-X arbeitet eng mit Initiativen wie der International Data Spaces Association (IDSA), FIWARE Foundation, der Big Data Value Association (BDVA) sowie dem Data Spaces Support Center (DSSC) zusammen. Unter dem Schirm der Data Spaces Business Alliance (DSBA) sorgt diese Kooperation dafür, dass nicht nur Gaia-X-Datenräume miteinander harmonieren, sondern auch alle anderen Architekturen, Spezifikationen und Konzepte aufeinander abgestimmt sind (weitere Informationen dazu in den folgenden Kursen).
Gaia-X ist keine staatliche Einrichtung, sondern eine Initiative aus der Wirtschaft. Im Mittelpunkt steht die Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL, eine internationale, gemeinnützige Vereinigung. Mit über 220 Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft bildet sie das Rückgrat der Initiative.
Ihr Ziel? Ein offenes, transparentes und sicheres Ökosystem, in dem Daten und Dienste nach gemeinsamen Standards sicher fließen. Gaia-X bringt dazu die praktische Erfahrung seiner Mitglieder ein. Wie die Zusammenarbeit zwischen der AISBL und den Hubs der verschiedenen Ländern organisiert ist, beschreibt die Initiative ausführlich unter https://gaia-x.eu/who-we-are/association/.

Öffentliche Institutionen wie die EU-Kommission oder das deutsche Bundeswirtschaftsministerium unterstützen Gaia-X, ohne es zu lenken. Diese Unabhängigkeit sichert die Akzeptanz in der Wirtschaft und die Flexibilität, auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Doch welchen Beitrag leistet Gaia-X genau für ein europäisches Datenökosystem?
Gaia-X sorgt für Vertrauen über einzelne Datenräume hinaus
Was in einem Datenraum gilt, gilt erst recht zwischen verschiedenen Datenräumen: Ohne Vertrauen keine Zusammenarbeit! Teilnehmende müssen sich auf die Identität anderer Akteure sowie auf Beschreibungen für angebotene Daten und Dienste verlassen können. Das ist die entscheidende Voraussetzung für branchenübergreifende Kooperation mit anonymen Dritten.

Der Beitrag von Gaia-X zum europäischen Datenökosystem setzt an diesem entscheidenden Punkt an. Dazu liefert die Initiative keine fertiges Software-Paket für komplette Datenräume, sondern das sogenannte Trust-Framework.
Ein Framework ist in der Informationstechnik eine strukturierte Sammlung von Regeln, Standards und Werkzeugen. Sie helfen Entwicklern, konsistente und effiziente Lösungen zu erstellen, ähnlich einem Bauplan, der den Aufbau eines Hauses erleichtert – im Fall von Gaia-X dient das Trust-Framework dazu, Vertrauen und Sicherheit in der datenbasierten Kooperation zu gewährleisten.
Konkret heißt das:
- Unternehmen und Organisationen müssen nicht mehr selbst von Hand prüfen, ob andere Teilnehmende in ihrem Datenraum oder einem anderen sich an die Spielregeln halten. Stattdessen können sie automatisierte Prüfverfahren nutzen.
- Angaben zur Identität von Akteuren und zu angebotenen Daten und Datendiensten entsprechen den Gaia-X-Regeln.
- Ein zweistufiges System von Kontrollinstanzen prüft die Konformität solcher Angaben.
Diese Basisinteroperabilität verhindert Datensilos. Sie erlaubt Unternehmen, sicher und effizient über Wertschöpfungsketten und Branchen hinweg zusammenzuarbeiten.
Wie funktioniert Gaia-X in der Praxis?
Gaia-X schafft zentrale Vertrauensmechanismen für die datenbasierte Kooperation innerhalb von und zwischen Datenräumen. Die Initiative setzt dabei auf Verifiable Credentials (VC), einen Standard des World Wide Web Consortiums (W3C) für digital signierte und fälschungssichere Nachweise. VCs enthalten Angaben zur Identität oder Qualifikationen und lassen sich kryptografisch prüfen, ohne den Aussteller kontaktieren zu müssen.
- Participant Credentials: Organisationen, die an einem Datenraum teilnehmen möchten, müssen ihre digitale Identität nachweisen – etwa mit einem X509- oder künftig einem eIDAS-Zertifikat. Dafür wenden sie sich an ein Gaia-X Digital Clearing House, das ihnen ein Teilnehmerzertifikat ausstellt. Nach der Zustimmung zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Datenraums signieren sie mit ihrer digitalen Identität. Anschließend erstellt das Clearing House eine Compliance Credential, die die geprüfte Identität des Teilnehmers bestätigt.
- Service Credentials: Auch Daten und digitale Dienste werden in Datenräumen geprüft. Dafür dient ein Service Credential, das kryptografisch signierte Informationen über die jeweilige Dienstleistung enthält. Eine Organisation gilt als Gaia-X-konform, wenn sie ein Participant Credential für sich und Service Credentials für ihre angebotenen Dienste vorlegen kann.
- Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH): Diese Clearing Houses prüfen unabhängig, ob Teilnehmende und Dienste den Gaia-X-Regeln entsprechen. Sie stützen sich dabei auf sogenannte Vertrauensanker – besonders verlässliche Organisationen in den EU-Mitgliedsstaaten, die Prüfstandards und -verfahren festlegen, wie etwa die Bundesdruckerei in Deutschland. So schaffen die GXDCH ein vertrauenswürdiges Umfeld.
Diese Vertrauensfunktionen von Gaia-X bilden die Grundlage für einen rechtssicheren, glaubwürdigen und souveränen Datenaustausch. Das folgende Video fasst die konzeptionellen Ideen von Datenräumen und Föderationen mit Hilfe eines Beispiels aus der E-Mobilität noch einmal zusammen:
Wie verbessert sich datenbasierte Kooperation durch Datenökosysteme?
Betrachten wir ein weiteres Beispiel aus der Industrie, das die Vorteile eines interoperablen Datenökosystems zeigt: Ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen möchte seine Produktionsprozesse optimieren und gleichzeitig deren CO₂-Fußabdruck nachweisen und optimieren. Es nutzt einen Datenraum für die Industrie 4.0, um Energieverbrauchsdaten von Zulieferern und anonymisierte Produktionsdaten ähnlicher Unternehmen zu integrieren.
Ohne ein interoperables Datenökosystem wäre es schwierig, Daten aus anderen Branchen oder Regionen hinzuzufügen. Das Unternehmen müsste:
- Einzelverträge mit Dutzenden von Datenanbietern aushandeln
- Verschiedene technische Schnittstellen implementieren
- Aufwendige Sicherheitsüberprüfungen für jeden Partner durchführen
In einem Gaia-X-konformen Datenökosystem würde ein Industriebetrieb etwa folgende Dienste und Daten nutzen:
- Identitätsprüfung durch ein Gaia-X Digital Clearing House
- Durch GXDCH geprüfte Konformität von Angaben zu Daten und Datendiensten
- Recherche relevanter Datenquellen und Datendienste in föderierten Katalogen verschiedener Datenräume
- Daten aus einem Product Carbon Footprint Calculator
- Echtzeitdaten von IoT-Sensoren in den eigenen Maschinen
- CO₂-Emissionsdaten aus der Lieferkette
- Zusätzlich: Echtzeit-Marktdaten aus einem Energie-Datenraum zur Optimierung von Energiekosten, CO₂-Emissionen und Netzbelastung
Dank standardisierter Schnittstellen und interoperabler Standards kann das Unternehmen diese Daten aus verschiedenen Datenräumen problemlos in seine IT-Prozesse integrieren. Souveränitätswahrende Regeln stellen sicher, dass sensible Daten geschützt bleiben. Ein KI-Modell optimiert die Produktion und hilft, den CO₂-Ausstoß nachweisbar zu senken.
Das Ergebnis? Gesteigerte Effizienz, reduzierte Kosten und ein Wettbewerbsvorteil durch Nachhaltigkeit – alles dank der einfachen, sicheren und interoperablen Datenkooperation im Gaia-X-Ökosystem.
Wie kann mein Unternehmen von Datenraumtechnologien wirtschaftlich profitieren?
Die Vorteile von Datenräumen und Datenökosystemen liegen auf der Hand. Das folgende Video fasst sie kurz zusammen:
Doch wie wird Ihr Unternehmen Teil dieses zukunftsweisenden Ökosystems? Wie können Sie die neuen Chancen der Datenwirtschaft konkret nutzen? Im nächsten Kapitel führen wir Sie Schritt für Schritt in die Welt der Wertschöpfung aus Daten ein. Von der Mitgliedschaft in der Gaia-X Association bis zur aktiven Mitarbeit in Datenräumen – wir zeigen, wie Sie die europäische Datenstrategie für Ihr Unternehmen gewinnbringend einsetzen.
Gestalten Sie die Zukunft der Datenwirtschaft mit. Ihr Einstieg in das europäische Datenökosystem beginnt jetzt!
Quellen
Big Data Value Association (BDVA): Organisations-Website, https://bdva.eu
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Was ist Industrie 4.0?, zuletzt geöffnet: Februar 2025, https://www.plattform-i40.de/IP/Navigation/DE/Industrie40/WasIndustrie40/was-ist-industrie-40.html
Data Spaces Business Alliance (DSBA): Projekt-Website, https://data-spaces-business-alliance.eu
Data Spaces Support Center (DSSC): Projekt-Website, https://dssc.eu
FIWARE: Projekt-Website, https://www.fiware.org
Gaia-X AISBL: GXFS Szenario-Video „Grundsätze von Föderationen und Datenräumen”, Youtube-Video, 2024, https://www.youtube.com/watch?v=F8bRCJw12-U&t=6s
Gaia-X Hub France: Discover Gaia-X, Youtube-Video, 2023, https://www.youtube.com/watch?v=Eucd7gMMy0g
International Data Spaces Association (IDSA): Projekt-Website, https://www.idsociety.org
World Wide Web Consortium (W3C): Organisations-Website, https://www.w3.org
World Wide Web Consortium (W3C): Verifiable Credentials Overview, 2025, https://www.w3.org/TR/vc-overview/